Bericht aus der StVV vom 13. September 2024

Die erste StVV nach der Sommerpause war erstaunlich kurz (knapp 3 1/2 Stunden), obwohl der
Nachtragshaushalt 2024, fünf Dringlichkeitsanträge sowie 10 Anträge der Opposition auf der
Tagesordnung standen. Besonders auffällig war dabei die Diskussionszurückhaltung der Koalition
(kein einziger eigener Antrag!), kein einziger Redebeitrag von Bündnis90/Die Grünen und der
Klimaliste bei den Aussprachen, bei der SPD redete nur Steffen Rink. Doch zum konkreten Ablauf:
Dringlichkeitsanträge
Tanja Bauder-Wöhr begründete die Dringlichkeit unseres Antrags betr. notwendige
Einrichtungsbestandteile in der geplanten Geflüchtetenunterkunft, ehemaliges Altenheim, in
Marburg-Moischt, Rink (SPD) hält dagegen, ebenso Stadträtin Dinnebier (SPD). Nur wir stimmen
für Dringlichkeit, daher im Oktober im Verfahren. Tanja Bauder-Wöhr betonte, es sei schade, dass
die Stadt Marburg offensichtlich ihr Leitbild der dezentralen Unterbringung von Geflüchteten
aufgibt und jetzt ebenfalls auf Sammelunterkünfte setzt. Für unsere Fraktion ist wichtig: Es Bedarf
eines konzeptionellen Vorgehens, in dem pädagogische Fachkräfte eingesetzt werden. Außerdem
wichtig zur Verbesserung des Zusammenlebens der Anwohner und der Menschen mit
Fluchterfahrung sind dringend flankierende und unterstützende Maßnahmen nötig und zwar bevor
sich Konflikte entwickeln.
Ähnlich geht es den Anträgen der CDU/FDP/BfM-Fraktion betr.: Zurück zum richtigen Eis im
Eispalast sowie Umgestaltung der Liebigstraße. Bei beiden lehnt die Koalition die Dringlichkeit ab,
beide gehen ins Verfahren.
Nur der dringliche Antrag der CDU/FDP/BfM Fraktion betr. Information der Bürgerinnen und
Bürger über geplante Einrichtungen zur Unterbringung geflüchteter Menschen in Moischt und
Cappel bekommt keine Gegenrede, ist daher automatisch auf der Tagesordnung und wird dann
einstimmig verabschiedet.
Nach der Fragestunde mit 26 kleinen Anfragen (Antworten unter
https://www.marburg.de/allris/wicket/resource/org.apache.wicket.Application/doc1533171.pdf)
kam die Einbringungsrede des Oberbürgermeisters für die Nachtragshaushaltssatzung für das Jahr

  1. Ein Nachtragshaushalt sei notwendig, weil 2024 die Einnahmen signifikant geringer ausfallen
    als erwartet, das gelte auch für 2025. Ziel sei, die finanzielle Handlungsfähigkeit zu erhalten, ohne
    spürbare Einschränkungen für die Bevölkerung. Dafür wurde sich an den tatsächlichen Ausgaben
    des Vorjahres orientiert. Der OB erklärt, dass die Versprechen, die mit Beschluss des Haushaltes
    gegeben wurden, auch weiterhin gehalten werden. Das betrifft vor allem Vereine und freie Träger.
    Der Haushaltsentwurf wird in den HFA überwiesen und wir werden sehr genau prüfen, ob die
    Versprechen wirklich umgesetzt werden.
    Konzept für Nutzung des Erwin-Piscator-Hauses für Vereine und Initiativen entwickeln
    Den Antrag der Fraktion Die Linke stellt Miguel Sanchez (DL) vor: Er betont die Wichtigkeit von
    politischen und auch kulturellen Initiativen. Diese benötigen Räume, um sich zu treffen und auch
    öffentliche Veranstaltungen durchzuführen. Solche Räume zu finden ist schwierig, daher soll dafür
    das Erwin-Piscator-Haus zur Verfügung gestellt werden mit einem Konzept, das auch eine nicht
    gewerbliche Nutzung ermöglicht. Frau Suntheim-Pichler (BfM) unterstützt den Antrag der Linken.
    Sie zitiert aus dem Haushalt die Veranstaltungstage im EPH aus den letzten Jahren. Die Zahlen
    haben in den letzten Jahren deutlich abgenommen bei gleichzeitig steigenden Kosten. Sie sieht ein
    strukturelles Problem des EPH und hofft, dass der Magistrat das erkennt und etwas daran ändert.
    Stadträtin Dinnebier (SPD) gibt zu, dass die Vorrednerin viele Probleme des EPH richtig
    identifiziert hat, sie sieht es allerdings nicht als hilfreich an, ein Konzept zu entwickeln, wie nochweitere Initiativen in die Nutzung einbezogen werden können. Die Kosten sind für alle
    Veranstaltungen gleich, egal ob Verein oder gewerbliche Nutzer. Initiativen können bereits
    Unterstützung für Veranstaltungen bei der Stadt beantragen.
    Die gesamte Opposition stimmt für den Antrag, die Koalition dagegen, damit ist der Antrag
    mehrheitlich abgelehnt.
    Das Trauerspiel Verwaltungsaußenstellen geht weiter
    Es war die längste und emotionalste Debatte des Abends. Den gemeinsamen Antrag der
    CDU/FDP/BFM-Fraktion und der Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN stellt Seipp (CDU) vor:
    Er begrüßt die verbesserte Versorgung der Stadtteile durch den Bürgerkoffer, der vor kurzem
    vorgestellt wurde, dennoch unterstützt er die Ortsvorsteher der Stadtteile, in denen sich die
    Außenstellen befanden in ihrem Anliegen, die Außenstellen trotzdem zu erhalten, weil sie weit
    mehr Funktionen erfüllen. Ähnlich argumentiert Bastian (DL): Sie erinnert daran, dass die
    Außenstellen bei der Gebietsreform eingeführt wurden, um die Eingliederung in die Stadt zu
    erleichtern. Sie sieht jeden Rückzug aus der Fläche als Kontaktverlust, die Stadtteile warten schon
    seit zwei Jahren auf eine Lösung für die Außenstellen. Sie möchte, dass die Außenstellen
    mindestens erhalten bleiben, bis es andere Lösungen gibt.
    Für die Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN forderte Roland Böhm den Magistrat auf, „den
    Bürgerinnenwillen zur Kenntnis zu nehmen und umgehend den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung umzusetzen“. Er verweist darauf, dass die betroffenen Bürgerinnen
    und ihre Ortsbeiräte sehr wohl die Vorzüge ihrer VWA zu schätzen wissen: In Wehrda hat der
    dortige Ortsbeirat einstimmig die Erhaltung der Außenstellen gefordert und eine
    Unterschriftenaktion initiiert. Bisher weigere sich der Magistrat, die fast 1000 Unterschriften aus
    Wehrda für den Erhalt der Verwaltungsaußenstelle entgegenzunehmen. Quartiersmanagement und
    Verwaltungsaußenstellen sind völlig unterschiedliche Dinge, die sich nicht gegenseitig ersetzen
    können. Sein Fazit: „Was wir von Anfang an vermutet haben, bestätigt sich nun. Der Magistrat hatte
    wohl nie beabsichtigt, die Verwaltungsaußenstellen wieder zu öffnen, er hat alle Versuche und
    Zusicherungen offensichtlich gezielt ins Leere laufen lassen.“
    Für die Koalition widerspricht Steffen Rink: Er verweist auf die – angeblich – mangelnde
    Auslastung und auf die Notwendigkeit zu sparen. Die Lösung mit dem Bürgerkoffer wurde bereits
    beschlossen, der sei für die eigentlichen Aufgaben der Verwaltungsaußenstellen geeignet. Ähnlich
    argumentiert OB Spies: Er findet es unverhältnismäßig, das Personal in den Außenstellen
    einzusetzen, da es dann im Stadtbüro fehlt, wo mehr Leistungen in Anspruch genommen werden.
    Die Leistungen, die in Außenstellen angeboten werden können, würden immer weniger. Im Antrag
    werden Leistungen gefordert, die gar nicht zu den Aufgaben des Stadtbüros gehören.
    Somit wird der Antrag mit den Stimmen der Koalition mehrheitlich abgelehnt, während die
    Opposition dafür stimmt.
    Noch ein „Dauerbrenner“: Schwimmbadöffnungszeiten und -aufsicht
    Auch dieser gemeinsame Antrag der Fraktionen von CDU/FDP/BfM und MarburgerLinke &
    PIRATEN zur Unterstützung der Schwimmbadaufsicht durch DLRG in städtischen Bädern stieß auf
    Ablehnung durch Koalition und Die Linke. Lisa Deisler (FDP) stellte die Idee vor: Die steigende
    Zahl der Nichtschwimmer macht das Baden für viele Menschen immer mehr zur Gefahr. Sie
    möchte, dass vom DLRG Unterstützung bei der Schwimmaufsicht erbeten wird, um dem
    Personalmangel im Aquamar zu begegnen. Dem widerspricht Bastian: DLRG ist eine
    gemeinnützige Organisation, die ehrenamtlich arbeitet, daher kann die DLRG nicht für städtische
    Aufgaben eingesetzt werden. Dazu erklärt Stadträtin Dinnebier, dass es schon gängige Praxis ist,
    dass DLRG-Mitglieder als Aushilfen im Aquamar beschäftigt werden. Jedoch kann der Betrieb nur
    durch Fachangestellte des Bäderbetriebs gewährleistet werden. Davon werden mindestens drei
    benötigt, um ein Schwimmbad betreiben zu können, DLRG-Mitglieder können nur zusätzlich sein.
    Daher mehrheitlich abgelehnt.Die restlichen Tagesordnungspunkte wurden ohne Aussprache abgestimmt. Gegen die
    Mehrheitsmeinung zum Abschlussbericht Akteneinsichtsausschuss „Fördermittelverlust Sophievon-Brabant-Schule“ stimmte nur die CDU/BfM/FDP.
    Einstimmig angenommen wurden die restlichen Magistratsanträge
    Neufassung der Entschädigungssatzung der Universitätsstadt Marburg
    Kündigung der Mitgliedschaft in der Genossenschaft „KommunalCampus eG“
    Bauleitplanung der Universitätsstadt Marburg Offenlagebeschluss für den Bebauungsplan Nr. 18/13
  2. Änd. „Fuß- und Radweg Blaue Straße“ im Stadtteil Cappel
    Ebenfalls einstimmig angenommen wurde unser dringlicher Antrag betr. Bericht zu den aktuellen
    Entwicklungen und Plänen rund um die KiTa Goldbergstraße.
    Für die Anträge der Fraktionen gab es Mehrheiten nur für
    Berichtsantrag der Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN betr. Nutzbäume in der Stadt
    Antrag der CDU/FDP/BfM-Fraktion betr. Digitalisierung Bürgerhaus-Vermietung und
    Berichtsantrag der CDU/FDP/BfM-Fraktion betr.: Geruchsbelästigung im Bereich Marbacher
    Weg/Köhlersgrund.
    Mehrheitlich abgelehnt dagegen wurden unsere Anträge
    Denkmalbeirat aufwerten
    Terminvergabe Ausländerbehörde
    Anhänge in städtischer eMail-Kommunikation vollständig vermeiden
    Magistratspräsenz im Denkmalbeirat
    Einsatz für friedliche Lösung in Nahost – sofortiger Waffenstillstand
    Bemerkenswert: Letzterer wurde mit den Stimmen von CDU/FDP/BfM sowie der Grünen (!) bei
    Enthaltung der AfD mehrheitlich abgelehnt, während außer uns noch SPD, Klimaliste sowie die
    Linke dafür waren.
    Mit den Kenntnisnahmen zum
    Vollzug des Haushaltsplans 2024 hier: Zwischen- und Budgetbericht zum 30.06.2024 sowie vom
    Ersten qualifizierten Mietspiegel für den Bereich der Universitätsstadt Marburg
    endete eine sehr ernüchternde Stadtverordnetenversammlung.
  3. Eure Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN
    Tanja Bauder-Wöhr, Roland Böhm, Anja Kerstin Meier-Lercher, Inge Sturm, Dr. Michael Weber

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