Antrag: Unterstützung von Wohnungslosen/ keine Vertreibung

Beschluss:

Die Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg möge beschließen, das aktuell von Räumung bedrohte Camp in der Gisselberger Straße, nahe des Radweges, von Wohnungslosen genutzt, nicht zu räumen. Gleiches gilt für alle Zelthäuser, die sich in Marburg befinden.

Die Stadt Marburg verpflichtet sich:

a) Nur in absoluten Ausnahmefällen Räumungen von Zelthäusern durchzuführen.

b) Bei bestehenden Camps in Marburg Mülleimer und eine Feuerschale zu installieren und zu prüfen, ob mobile Toiletten eingesetzt werden können.

c) Über die kalte Jahreszeit einen Wärmebus für Wohnungslose anzubieten.

c) Bis zur Fertigstellung des Neubaus für Wohnungslose angemessene Lösungen zu schaffen.

d) Eine Vorhabenliste zu erstellen, wann mit den einzelnen Projekten begonnen wird. 

    Begründung:

    Vertreibung und Verdrängung von armutsbetroffenen Obdachlosen, weil sie nicht ins schicke Stadtbild passen, findet in Deutschland schon viel zu lange statt. In Marburg will und wollte man einen anderen Weg gehen, jetzt nicht mehr? Oder wie darf man die geäußerten Ängste der Bewohner des „Zeltdorfes“ in Marburg anders interpretieren, wenn sie merklich vor den Polizeiautos zusammenzucken und eine „Räumung“ und somit Verdrängung befürchten. Dabei steigen Räumungsklagen in Marburg, während gleichzeitig die zur Verfügung gestellten Unterkünfte für Wohnungslose aus allen Nähten platzen: Der Spatenstich für das Vinzi-Dorf verschiebt sich ins Jahr 2026.  Das Vinzi-Dorf soll neben dem Stillen der Grundbedürfnisse auch Unterstützung bei alltäglichen Dingen leisten und eine Heimat für Heimatlose, sowie ein Zuhause bis zuletzt bieten.

    Eine Stadt wie Marburg, die in den letzten Jahren von den enormen Gewinnen des Pharmastandorts profitierte, sich diese Gewinne auch in einem Anlagefond über etwa 340 Mio. € leistet, muss in der Lage sein, auch etwas für die Ärmsten zu investieren und sie nicht auch noch vertreiben – es ist einfach nur noch beschämend.

    Warum war es vor wenigen Monaten möglich, für ca.40 Mio € ein Verwaltungsgebäude zu erwerben, gleichzeitig bleibt dieser „Wumms“ aus bei den Unterkünften für Obdachlosigkeit, seit Jahren wird über Neubau geredet, dieses Diskussionsstadium aber nicht überwunden. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, entdeckt immer mehr Matratzenlager unter Brücken – dort richten sich Menschen ein, weil sie sich offenkundig keine Wohnung mehr leisten können, gleichzeitig nehmen die Zeltbehausungen in Marburg sichtbar zu.

    In Marburg leben schlicht zunehmend Menschen, die keine eigene Wohnung besitzen.

    Nicht allen in dieser Personengruppe steht die Tür im städtischen Übernachtungsheim offen. Es gibt ca. 20 obdachlose Menschen, die in der Gisselberger Straße Hausverbot haben und noch einmal mindestens ebenso viele, die dort kein Angebot annehmen, da sie ihren Hund nicht mitbringen können oder sie Sorge haben, bestohlen zu werden. Auch ertragen Einzelne mittlerweile gar keine festen Wände mehr um sich herum. Außerdem ist die Unterkunft in der Gisselberger Straße nicht barrierefrei und auch viel zu klein bzw. beengt für den Bedarf. All dies ist seit Jahren bekannt, wurde vom Leiter der Einrichtung im Sozialausschuss berichtet, aber außer Lippenbekenntnissen ist nichts passiert.

    Aus diesen unterschiedlichen Gründen leben ca. 60 Marburger Bürgerinnen und Bürger im Freien. Dies ist besonders in der kalten Jahreszeit eine teilweise lebensbedrohliche Situation.

    Tanja Bauder-Wöhr, Roland Böhm, Anja Kerstin Meier-Lercher, Inge Sturm, Dr. Michael Weber.  

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