Antrag: Prüfantrag Schwammstadt-Konzept

Beschluss: 

Die Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg möge folgenden Beschluss fassen:

Der Magistrat wird gebeten zu prüfen und im Oktober 2023 die Prüfergebnisse darzulegen:

1. Inwieweit ein Schwammstadt-Konzept bei allen städtischen Neubauvorhaben sowie bei Gewerbebauten in Marburg eingeführt werden kann. Bei privaten Neubauvorhaben soll eine Empfehlung ausgesprochen werden.

a) Es sollte u.a. geprüft werden, ob die Möglichkeit besteht, das Oberflächenwasser anstatt in die Kanalisation besser auf Versickerungs- oder Grünflächen zu leiten.

b) Weiterhin sollte geprüft werden, ob Regenwasser nach Umbauten von Plätzen und Straßen, vermehrt als Gestaltungselement eingesetzt werden kann (Versickerung, künstliche Becken), um damit Potentiale für die Entwässerung zu eröffnen.

c) Außerdem prüft die Verwaltung potentielle Maßnahmen zur Wiederfreilegung von kanalisierten Bächen (u.a. Badstubenbach) im Stadtgebiet. Für die Maßnahmen a. und b. wird untersucht, ob diese ein zusätzliches Spülen der Kanalisation durch Trinkwasser notwendig macht.

d) Es soll geprüft werden, wo bei Neubauten Dach- und Fassadenbegrünung als Wasserspeicher und als Temperaturisolationsschicht (Kälte im Winter und Wärme im Sommer) jeweils sinnvoll und möglich sind.

e) Desweiteren ist zu prüfen, wo die Anlage neuer Grünflächen (Entsiegelung) und besonders Baumpflanzungen zur Speicherung von Regenwasser, Haltung des Grundwasserpegelstandes und Verhinderung des Aufheizens in der Stadt umgesetzt werden können.

    Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten durch Land, Bund und EU werden im Rahmen der Prüfung ebenfalls untersucht.

    2. Ob die Verwendung von sog. „Ökopflastern“ bei städtischen Neubauten im Stadtgebiet möglich ist. Dabei werden auch mögliche Einsatzgebiete (bspw. auf Parkplätzen etc.) aufgezeigt. Bei Ökopflaster handelt es sich um besonders sickerfähige bzw. wasserdurchlässige Pflasterflächen, die die natürliche Versickerung von Wasser begünstigen. Dieses Wasser reichert unser Grundwasser an, statt in der Kanalisation abzufließen. Die Kostendifferenz zu herkömmlichen Pflastersteinen ist aufzuzeigen.

    3. Ob rechtliche Möglichkeiten bestehen, ggf. vorhandene Schottergärten zu begrünen, um vorhandene unnötige Versiegelung im privaten Raum entgegenzuwirken.

    Begründung:

    Seit der Flutkatastrophe an der Ahr im Sommer 2021 ist auch in Deutschland das Konzept der Schwammstadt in aller Munde. Dieser auf Englisch als Sponge City bekannte Begriff aus der Stadtplanung meint das Konzept, Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern. Städte, die bei Starkregen überfluten, ähneln einem nicht ausgedrückten Schwamm: Das Wasser kann nicht ablaufen. In der Schwammstadt hingegen wird der natürliche Wasserkreislauf imitiert, wodurch Regenwasser wiederverwendet statt kanalisiert oder abgeleitet wird. Die Stadt ist somit ein gut ausgedrückter Schwamm, der bei Bedarf wieder neues Wasser aufnehmen kann.

    Bereits 2019 hat die Universitätsstadt Marburg den Klimanotstand ausgerufen und sich in einem Grundsatzbeschluss zur Klimaneutralität 2030 verpflichtet. Am 30.09.2022 hat die Universitätsstadt Marburg „Leitlinien zum klimaneutralen und sozialverträglichen Bauen sowie klimaneutrale und klimawandelangepasste Flächennutzung“ beschlossen. Die Klimakatastrophe bringt immer öfter Extremwetterereignisse und hohe Niederschlagsmengen mit sich. Die Kanalisation kann entsprechend umfangreiche Regenmengen durch die hohe Menge an versiegelten Flächen in der Stadt auf öffentlichen Plätzen und Wegen oftmals nicht mehr aufnehmen. Auch jenseits von Katastrophenszenarien müssen wir in der Stadt deshalb Wasser zurückhalten. Wie ein Schwamm soll die Stadt Regenwasser aufnehmen und wieder abgeben können. Deshalb ist es besser, Regenwasser vor Ort durch Nutzung, Versickerung oder Speicherung mit verschiedenen Systemen für die notwendige Klimaanpassung zu verwenden. Nicht zuletzt spart eine Versickerung und Nichteinleitung in die Kanalisation auch Abwassergebühren. Sicherlich sind schon richtige Maßnahmen durch die Stadt eingeleitet worden, dennoch besteht aus Sicht unserer Fraktion aber weiterer Handlungsbedarf um notwendige Schritte für Marburg als „Schwammstadt“ einzuleiten.

    Tanja Bauder-Wöhr, Renate Bastian, Roland Böhm, Anja Kerstin Meier-Lercher, Miguel Sanchez, Jan Schalauske, Inge Sturm

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