Stellungnahme der Fraktion Marburger Linke & Piraten

Die Partei „Die Linke“ gibt bekannt, dass ihre Mitglieder 2026 bei der Stadtverordnetenwahl nicht mehr auf der Liste der „Marburger Linken“ kandidieren werden, sondern nur noch als Parteiliste unter dem Namen „Die Linke“.

Wir wünschen Glück auf den Weg.

Zugleich fordert die Partei „Die Linke“ die „Marburger Linke“, die ja weiterbesteht, auf, sich aufzulösen und nicht mehr unter ihrem bisherigen Namen anzutreten.

2024 sind drei Stadtverordnete der Partei „Die Linke“, die 2021 auf der Liste der „Marburger Linken“ gewählt wurden (Renate Bastian, Jan Schalauske und Miguel Sanchez), und der ehrenamtliche Stadtrat Henning Köster-Sollwedel aus der „Marburger Linken“ ausgetreten. Vier Mitglieder der Fraktion, also die Mehrheit, blieben in der „Marburger Linken“: Tanja Bauder Wöhr, Roland Böhm, Anja Kerstin Lercher und Inge Sturm. Danach schloss sich Michael Weber (Piratenpartei), der früher schon Stadtverordneter der „Marburger Linken“ gewesen war, dieser wieder an.

Die „Marburger Linke“ besteht also weiter. Vier Mandatsträger sind aus ihr ausgetreten, und ihre Partei verlangt nun von der „Marburger Linken“, sie solle 2026 aufhören zu bestehen. Das ist mutig. Sie verbinden ihre Forderung mit einem Schnellkurs über die bisherige Geschichte der „Marburger Linken“, der von der Realität in einigen Punkten abweicht. Gern geben wir im Folgenden Nachhilfe:

Als die PDS 1997 sich erstmals für eine Kandidatur zur Stadtverordnetenversammlung interessierte, war sie realistisch genug, dies nicht im Alleingang zu versuchen. Sie war personell sehr schwach. Daneben gab es seit Langem ein relativ starkes Potential links von der SPD und den Grünen. Bei der Stadtverordnetenwahl 1993 sammelte es sich in zwei gegeneinander antretenden Kandidaturen: der „Grün-Alternativen Liste“ (GAL) und der „Marburger Linken“. Beide scheiterten an der damals noch bestehenden Fünf-Prozent-Hürde (GAL 4,9 % Prozent, Marburger Linke 3,4). Daraus wurde gelernt. Die PDS warb bei den verbliebenen Aktiven von GAL und „Marburger Linke“ und weiteren geeigneten Personen um ein Bündnis. Daraus entstand die Liste „PDS/Marburger Linke“. Dass diese auf Anhieb die Fünf-Prozent-Hürde überwand, war ungewöhnlich für den Westen und beruhte auf der Marburger Sondersituation eines sozialistischen Milieus links von SPD und Grünen. Nicht die PDS war das Besondere (die gab es als Splittergruppe auch in anderen Städten des alten Bundesgebiets), sondern das Bündnis. Im Landkreis trat es nicht an. Dort kandidierte nur die PDS. Es war also sämtlichen Beteiligten klar, dass das nicht ein und dasselbe war.

Als bei der Stadtverordnetenwahl 2006 in Marburg eine Liste mit dem Namen „Marburger Linke“ antrat, war dies – anders, als jetzt von der Partei „Die Linke“ behauptet – nicht um eine Umbenennung der lokalen PDS, sondern ein Bündnis legte sich diesen Namen zu. Es gab Verhandlungen mit der örtlichen WASG, deren Mitglieder einer gemeinsamen Kandidatur bei der in diesem Jahr stattfindenden Stadtverordnetenwahl nur unter der Voraussetzung zustimmten, dass der Namensteil „PDS“ entfiel. Als Kompromiss einigte man sich auf die Bezeichnung „Marburger Linke“. Ein Bezug zur 1993 gescheiterten Liste gleichen Namens bestand für die neu hinzukommenden Mitglieder und Sympathisanten der WASG gewiss nicht. Insofern war die „Marburger Linke“ von 2006 nicht identisch mit derjenigen von 1993. In diesem einzigen Punkt widersprechen wir der aktuellen Erklärung der Partei „Die Linke“ gar nicht. Die „Marburger Linke“ seit 2006 war etwas Neues, und nun ist die Partei „Die Linke“ daraus eben ausgetreten. Wenn sie der „Marburger Linken“ jetzt mit ihrer eigenwilligen Geschichtserzählung den Namen streitig machen will, kann man das putzig oder anmaßend finden.

Dass die „Marburger Linke“ immer ein parteiübergreifendes Bündnis war und nicht eine umbenannte PDS oder die Partei „Die Linke“, zeigte sich auch schon vor dem Auszug von Renate Bastian, Jan Schalauske, Miguel Sanchez und Henning Köster-Sollwedel allezeit. Zwischen 2006 und 2011 zum Beispiel waren zwischenzeitlich von ihren fünf Stadtverordnen nur zwei Mitglieder der Partei „Die Linke“. Das Papier der Partei „Die Linke“ nennt als Stadtverordnete der „Marburger Linken“ nur Mitglieder von BSW, DKP und Piraten. Der Stadtverordnete Roland Böhm legt Wert auf die Feststellung, dass er parteilos ist.

Mit den Ausführungen der Partei „Die Linke“ über Abstimmungen und Verhalten der Fraktion „Marburger Linke“ in der gegenwärtigen Stadtverordnetenversammlung befassen wir uns hier ausdrücklich nicht. Das ist halt schon Wahlkampf und schmutzige Wäsche, deren Anblick nur den Gegnern außerhalb dieses Zwists Spaß machen kann. Aus dem gleichen Grund verzichten wir auf den Vorteil, auf die inhaltlichen Gründe der Differenzen seit 2021 einzugehen. Hierzu nur ein Satz: Es ging um die Gewerbesteuer. Wir wiederholen unsere damaligen Argumente nicht noch einmal. Wer sie kennen lernen will, frage uns.

Gerne ist Georg Fülberth darüber hinaus bereit, über die Geschichte der „Marburger Linken“ seit 1997 und ihrer Vorläufer-Organisationen ab 1968 Auskunft zu geben. Falls nicht vorhanden, können Interessierte seine Telefonnummer gerne über die Mitglieder der der Fraktion „Marburger Linke“ erhalten.

Gewiss ist es ein peinliches Schauspiel, wenn 2026 zwei Listen, die die Richtungsangabe „links“ im Namen führen, gegeneinander antreten. Die kindische Sandkastenbehauptung, die jeweilige andere Seite habe damit angefangen, schenken wir denen, die sie vielleicht aufstellen werden.

Auf die Dauer kann die aktuelle missliche Situation nicht bleiben. 2026 ist ein Datum, 2031 – die übernächste Kommunalwahl – ein anderes. Wir hören Stimmen von Menschen, die angesichts der gegenwärtigen Spaltung keine Lust haben, überhaupt eine der beiden Listen zu wählen. Davor warnen wir. Das stärkt nur die Rechten.

Selbstverständlich kandidieren wir unter unserem bisherigen Namen und werben um Stimmen für unsere Liste. Auf Grundlage des Wahlprogramms von 2021, welches wir konsequent weiterentwickeln laden wir herzlich zum mitmachen ein. Das System von Kumulieren, Streichen und Panaschieren im kommunalen Wahlrecht gibt Wählerinnen und Wählern im Übrigen die Möglichkeit, ihr Kreuz listenübergreifend anzubringen und sich für die linken Kandidatinnen und Kandidaten zu entscheiden, die sie für die besten halten. Vielleicht ist das schon ein erster Schritt zur künftigen Einheit. In einer einzigen alleinseligmachenden Partei wird sie sich jedenfalls nicht verwirklichen lassen.

Nach oben scrollen